Ein neues Jahr, da gibt es auch neues Material im Bogensektor. Alles super, alles neu, alles gut.
Doch was darf man da so lesen? “Ein Pfeil extra für Anwendungsgebiet XY entwickelt.” “Das Visier ist aufgrund der verwendeten Materialien auch für widrige Witterungsbdingungen geeignet.” “Der Bogen XY verfügt über eine neuartige Geometrie.” Originaltöne aus einer Bogenzeitschrift. Egal, aus welcher, egal zu welcher Zeit.
Leute, Leute... dieses ganze Marketinggeschrei ist nichts wert. Nicht mal das Papier, auf dem es gedruckt wird. Der Pfeilschaft XY aus obigem Beispiel hat fast die gleichen Spezifikationen wie ein ohnehin schon vorhandenes Modell, und nur weil der Schaft 0,2 grain/inch mehr oder weniger wiegt als der Vorgänger, rechtfertigt das keine Ankündigung einer Revolution. Auch ist es ja wohl eine Selbstverständlichkeit, dass in einer Freiluftsportart das Material einen Regenguss abkann. Was raucht da die Marketingabteilung, um so etwas hervorzuheben? Und dann das mit der Geometrie... die Recurvemittelteile haben zu 99 % die gleiche Geometrie und beim Compound wird jedes Jahr ein neues Konzept als Sau durchs Dorf getrieben. Mal ist der Pfeil in der geometrischen Mitte des Bogens, mal der Druckpunkt, mal liegt man dazwischen. Und jedes Mal ist es die Neuerfindung des Rads, wenn man den bezahlten Werbeschreiern (sprich: Staffshootern) Glauben schenken mag. Es ist immer wieder unverständlich, wie sie mit dem Material aus dem Vorjahr auch nur einen einzigen Pfeil haben unfallfrei schießen können, und es ist für mich noch weniger verständlich, warum mit dem neuen revolutionären Material die Weltrekorde nicht reihenweise pulverisiert werden. Liegt es am Ende doch am Schützen?
Nur, damit wir uns recht verstehen: es gab schon große Innovationen wie die Einführung des Aluminium- und des Carbonpfeils, der Compoundbogen selbst oder anderes, was mir gerade nicht einfällt. Nur muss heute alles schneller, höher weiter und so weiter sein. Und vor allem: der Umsatz muss rollen. Dies geschieht nicht damit, dass funktionierendes Material auf dem Markt gehalten wird. Nein, es muss etwas Neues, etwas Besseres her. Nur - das mit dem “Besser” funktioniert halt meistens nicht und es werden Scheinneuigkeiten auf den Markt geschmissen. Das sind meist nicht mehr als Nebelkerzen, die den Blick auf die echten Innovationen (dies es selten genug gibt) verhindern. Man gewinnt oftmals den Eindruck, dass die Marketingabteilungen der Unternehmen besser besetzt sind als die Entwicklungsabteilungen - schlicht und ergreifend, weil es nicht viel zu Entwickeln gibt. Der neue Kram ist meistens alter Wein in neuen Schläuchen, was einem dann spätestens bei dritten Schluck auffällt.
Auffallen... auffallen sollte es vielleicht auch der oben erwähnten Bogen”fach”Zeitschrift, die solche Nicht-Aussagen kommentarlos abdruckt. Eine objektive Berichterstattung geht anders, man muss doch nicht jedes Marketinggewäsch kritiklos übernehmen, abdrucken und der Leserschaft vorsetzen. Oder hat man etwas Angst, Werbekunden zu vergraulen? Dann taugt die Zeitung allerdings auch nix.
Was lernt man als Hobbyschütze daraus - und mit Hobbyschütze meine ich so ziemlich alles, bis rauf zur Teilnahme an den nationalen Meisterschaften? Es ist fast vollkommen egal, was man schießt. Man muss sich nur damit wohlfühlen und kann oftmals nach dem optischen Eindruck einkaufen gehen. Auch das Material von vor X Jahren tut noch seinen Zweck.
Der Stand der Technik ist heute weitgehend ausgereizt, man muss sich nur im Vorfeld Schlau machen, was man kauft und dann wird man lange Zeit Freude an seinem Material haben. Mit einem funktionierenden System, auf das man sich verlassen kann, wird man langfristig seine Kasse schonen und gelassen auf schreiende Werbebotschaften reagieren.
Viel wichtiger als neues, “besseres” Material ist das Arbeiten des Schützen an sich selbst. Ringe kann man nicht erkaufen, Ringe muss man sich erarbeiten. Das, liebe Werbeheinis, schreibt Euch mal hinter die Ohren. Aber mit der Realität und der Technik habt Ihr es ja eh nicht so...